Urteil des LG Essen gegen Arzt rechtskräftig
Das Urteil des Landgerichts Essen vom 1. Februar 2024, durch das der suizidassistierende Arzt Dr. Spittler zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen Totschlags (in mittelbarer Täterschaft) verurteilt wurde, ist rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit jetzt veröffentlichtem Beschluss die Revision des Angeklagten verworfen.
Der Arzt hatte am 31. August 2020 einem Sterbewilligen beim Suizid assistiert. Nach den landgerichtlichen Feststellungen litt der Suizident an einer akuten paranoiden Schizophrenie (ICD-10: F20.0) sowie einer mittelgradigen depressiven Episode (ICD-10: F32.1) und befand sich hierdurch in einer seine freie Willensbildung ausschließenden Lage. Die Richter des LG Essen kamen überdies zu der Überzeugung, dass der gegenüber dem Angeklagten geäußerte Suizidwunsch des Sterbewilligen wesentlich auf einer krankheitsbedingten, nicht realistisch begründeten Annahme basierte, wonach er unter einer zunehmenden Sehstörung leide und es zudem für seine psychische Beschwerdesymptomatik keine Besserungsaussichten mehr gebe.
Der BGH stellt in seinem Revisionsbeschluss erneut klar, dass kein Erfahrungssatz existiere, wonach ein Mensch mit psychischem Erkrankungsbild generell nicht in der Lage sei, die Tragweite seiner Entscheidung im Hinblick auf einen begleiteten Suizid zu erkennen. Vielmehr bedürfe es stets der Feststellung konkreter, die Freiverantwortlichkeit ausschließender Umstände. Der BGH erachtet das in den Urteilsgründen des LG Essen für ebenso tragfähig belegt wie die Tatherrschaft des Angeklagten als Zentralgestalt des Geschehens. In überraschender Deutlichkeit verhält sich der BGH abschließend zum Täterwillen. Dem Angeklagten seien nicht nur alle maßgeblichen Umstände einschließlich des aus der psychischen Störung des Suizidenten resultierenden Verantwortungsgefälles zwischen diesem und sich selbst bekannt gewesen. Vielmehr führt der BGH das eigene Tatinteresse auch auf den Umstand zurück, dass der Angeklagte keine ärztliche Zweitmeinung einholte, „weil er nicht mit einer Bestätigung seiner – ergebnisorientiert abgefassten – gutachterlichen Stellungnahme rechnete“. Nach Ansicht der Karlsruher Richter wollte der Angeklagte die Entscheidung über die Durchführung der Tat nicht aus der Hand geben, um das eigene psychiatrische und rechtspolitische Konzept zur Sterbehilfe für psychisch Kranke zur Geltung zu bringen. Der Beschluss des 4. Strafsenats beim Bundesgerichtshofs (Az.: 4 StR 265/24) ist online abrufbar: Beschluss des 4. Strafsenats vom 29.1.2025 – 4 StR 265/24 –.