Keiner der 3 Gesetzentwürfe verfassungs-konform

Keiner der 3 Gesetzentwürfe verfassungs-konform

Derzeit ist kein Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht. Die Gesetzentwürfe Heil/Stark-Watzinger vom 27.01.2022 und Renate Künast vom 24.03.2021 sind lediglich Medien-Mitteilungen in Gestalt eines Gesetzentwurfs. Der Gesetzentwurf Katrin Helling-Plahr (BT-Drucks. 19/28691) wurde zwar am 19.04.2021 in den Bundestag eingebracht, hat sich nach dem Diskontinuitätsprinzip aber erledigt. Wir haben die Entwürfe analysiert und müssen feststellen: Alle drei Entwürfe sind mit dem Urteil des BVerfG vom 26.02.2020 nicht vereinbar und daher verfassungswidrig.

Heil/Stark-Watzinger

Die Bundesminister:innen Hubertus Heil und Bettina Stark-Watzinger präsentieren zusammen mit 13 anderen Bundestagsabgeordneten einen Straftatbestand § 217 Abs. 1 StGB, der identisch ist mit demjenigen, den das BVerfG mit Urteil vom 26.02.2020 für nichtig erklärt hat. Die Ausübung des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben soll nur unter sehr engen Voraussetzungen straflos gestellt werden. Die suizidwillige Person muss sich einem Pflichtberatungsgespräch sowie zwei Untersuchungen durch einen Psychiater oder eine Psychotherapeutin mit einem Mindestabstand von drei Monaten unterziehen.

  • Die erneute Kriminalisierung geschäftsmäßiger Suizidassistenz höhlt das grundrechtlich gewährleistete Recht des Einzelnen aus, sein Leben freiverantwortlich durch Selbsttötung zu beenden und sich hierbei der Hilfe Dritter zu bedienen.
  • Die sorgfältige Prüfung der Freiverantwortlichkeit des Suizidenten wird schon jetzt durch § 222 StGB gewährleistet. Jeder einzelne Suizidfall wird bereits heute nach § 222 StGB von der Staatsanwaltschaft geprüft. Sterbehelfende riskieren eine hohe Freiheitsstrafe, wenn sie jemandem bei der Lebensbeendigung helfen, der nicht freiverantwortlich handelt. Der Entwurf legt mit keinem Wort dar, inwieweit der Autonomieschutz des § 222 StGB lückenhaft und daher ergänzungsbedürftig ist.
  • Suizidhilfe ist mit bis zu drei Jahre Freiheitsentzug zu bestrafen, wenn die letzte psychiatrische Untersuchung, in welcher dem Suizidwilligen Freiverantwortlichkeit bescheinigt wurde, mehr als zwei Monate zurückliegt. Unheilbar Kranke werden damit von Staats wegen in einen vorzeitigen Suizid gedrängt. Das ist nicht nur verfassungswidrig, sondern geradezu menschenverachtend.

Katrin Helling-Plahr

Die FDP-Abgeordnete Helling-Plahr beabsichtigt, ihren bereits in der vorigen Legislaturperiode eingebrachten Gesetzentwurf bis Monatsende zu überarbeiten, die nötigen Unterschriften zu sammeln und den Entwurf sodann erneut ins Parlament einzubringen, teilte gestern der Tagesspiegel mit.

Die Bundesländer haben ein flächendeckendes aufsuchendes Beratungsangebot sicherzustellen, das von Sterbehilfevereinen organisatorisch getrennt ist. Voraussetzung für die Verschreibung des Suizidmittels durch einen Arzt ist die Vorlage eines Beratungsscheins, den nur die staatlich anerkannten Beratungsstellen ausstellen dürfen.

  • Der Suizidwillige ist gezwungen, sich von einer staatlich kontrollierten Stelle beraten zu lassen. Ein solcher Beratungszwang schränkt das Selbstbestimmungsrecht am Lebensende in verfassungswidriger Weise ein, wie das Beispiel eines unheilbar an Krebs erkrankten Arztes zeigt, der über alles Fachwissen verfügt und keiner Beratung bedarf.
  • So wie Patienten freie Arztwahl haben, müssen Suizidwillige freie Beratungswahl haben. Wer sich von den Mitarbeitenden eines Sterbehilfevereins beraten lassen will, darf von Verfassungs wegen daran nicht gehindert werden.
  • Die Verschreibung des Suizidmittels setzt voraus, dass die Beratung mindestens 10 Tage, aber höchstens 8 Wochen zurückliegt. Die Frist wird den individuellen Bedürfnissen von Suizidwilligen nicht gerecht. Sie ist willkürlich und daher verfassungswidrig.

Renate Künast

Auch der grüne Entwurf von Künast enthält – noch erheblich detaillierter geregelt – eine Zwangsberatung. Sterbewillige werden einem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt, der mit ihrem Grundrecht auf selbstbestimmte Lebensbeendigung unvereinbar ist.

• Das ärztliche Honorar wird auf 250 Euro begrenzt. Für diesen geringen Betrag wird sich in Deutschland kein Arzt und keine Ärztin finden, den Aufwand zu erledigen, der mit der Feststellung der Freiverantwortlichkeit verbunden ist. Die Honorarbegrenzung unterbindet in verfassungswidriger Weise jegliche ärztliche Suizidassistenz.

Wir fordern alle Abgeordneten des deutschen Bundestags dazu auf, sich mit den praktischen Erfahrungen und Prozessen der Sterbehilfevereine bekanntzumachen. Der Verein Sterbehilfe lädt jeden Politiker und jede Politikerin ein, sich vor Ort unsere Arbeit anzuschauen. Eine Regulierung der Sterbehilfe muss dem Schutz der Sterbewilligen dienen und darf sie nicht ihrer Verfassungsrechte berauben.